Claudias Geschichte

Ich heiße Claudia, bin 42 Jahre alt, gelernte Waldorferzieherin, wohne in Elmshorn, Kreis Pinneberg, bin links oberschenkelamputiert, sitze im Rollstuhl und beziehe volle Erwerbsminderungsrente.

Alles fing im Jahre 2002 an, als ich eines Morgens aufwachte und mir mein linkes Knie wehtat. Dieser Schmerz hielt monatelang an, das Knie wurde immer dicker und ich konnte schließlich kaum noch laufen. Nach vielen Untersuchungen stellte sich dann heraus, dass mein Zustand die Folge eines Zeckenbisses (Borreliose) im vorherigen Jahr war. Es folgten mehrere Operationen, doch der Zustand des Beines wurde nur schlechter. Auch verschiedene Schmerztherapien konnten mir nicht helfen. Schließlich konnte ich nur noch auf Krücken laufen und mich dann im Rollstuhl fortbewegen. Ich konnte meiner Arbeit nicht mehr nachgehen, war krankgeschrieben, wurde ausgesteuert und musste Rente beantragen.

Nach Jahren des Schmerzes und weiterer Operationen wurde mir dann 2005 der linke Oberschenkel amputiert. Eine Woche nach der Amputation ging die Zimmertür auf, der Orthopädietechniker stellte sich mir vor und meinte, er müsse einen Gipsabdruck des Stumpfes nehmen, damit er den Schaft für die Prothese gießen könne und ich dann schnell wieder auf die Beine kommen könne. Unter massiven Schmerzen wurde der Abdruck genommen und es ging mir danach nicht gut, denn ich hatte Schmerzen und ich fühlte mich verunsichert. Jeder im Krankenhaus sprach nur noch von der Prothese, dem elektronischen Kniegelenk, dem Laufen, Treppensteigen und dem Fahrradfahren. Ich aber lag im Bett und hatte Schmerzen im Stumpf und im Fuß, der gar nicht mehr da war.

Wieder zu Hause war mein ganz persönliches Gefühl, dass ich sehr froh über die Amputation und rundum zufrieden mit meinem Stumpf war. Ich fand ihn viel schöner, als ich vermutet hatte und konnte mich viel wohler als in den vergangenen Jahren fühlen, da ich nicht mehr unter dem stark schmerzenden Bein leiden musste. Meine Schmerzen hielten sich in Grenzen und ich sagte zu mir: So ist es gut – so kann ich nun im Rollstuhl gut leben. Doch die Bemühungen des sehr kompetenten und freundlichen Orthopädietechnikers, der mir behilflich sein wollte wieder auf die Beine zu kommen und ein selbstständiges Leben zu führen und der Druck von außen brachten mich in einen Kreislauf aus Überlastung und Schmerzen bei den starken Bemühungen und dem Versuch, auf der Prothese laufen zu lernen.

Mein Körpergefühl war jedoch, dass die Schmerzen wieder unerträglich wurden. Ich quälte mich Tag für Tag in die Prothese, konnte vor Schmerzen kaum noch an was anderes denken und schließlich wurde die Prothese zu einer Feindin. Mein Stumpf brauchte nur Ruhe und Frieden und ich brauchte endlich einen Punkt, an dem ich mein neues Leben beginnen konnte. Es wurde mir ein elektronisches Kniegelenk von der Krankenkasse zugesprochen und ich fühlte mich verpflichtet, dieses teure Hilfsmittel voll auszunutzen. Ich übte und übte, auch mit Hilfe von Krankgymnastik und fühlte nur Schmerzen. Ich wollte mein Bestes tun und geben, doch mein Stumpf schrie „Nein“

Dass ich dieses „Nein“ überhört habe und unermüdlich weitergeübt habe, bereue ich heute, denn dadurch hat der Stumpf Schaden genommen und ich habe dauerhaft starke Schmerzen. Dadurch wurden weitere Operationen nötig (Korrektur des Stumpfes), doch leider erfolglos. Nun sind alle Möglichkeiten erschöpft und ich kann die Schmerzen nur mit Hilfe von starken Schmerzmitteln aushalten. Ich gab den Versuch des Prothesentragens auf und entschied mich für den Rollstuhl! Später wurde mir von der Krankenkasse ein E-Rolli genehmigt, um die Arme zu entlasten. Nirgendwo in Gesprächen oder Literatur fand ich Hilfe für die Entscheidung, ob Prothese oder Rollstuhl. So musste ich selber entscheiden: ich bin und bleibe Rollstuhlfahrerin, ich lebe in Frieden mit meinem Stumpf, ich richte mich so in meinem neuen Leben ein, suche mir ein Aufgabenfeld und Hilfsmittel.

Durch diese Entscheidung habe ich endlich mein inneres Gleichgewicht wieder gefunden und fühle mich selbstbestimmt.

Claudia
Claudia
Philip

Philip

Als guter Schüler blicken er und seine Familie in eine hoffnungsvolle Zukunft. Er möchte Abitur machen und studieren – nichts spricht bisher dagegen!

Philips Geschichte