Lebensfreude, Lachen, aber auch Nachdenklichkeit und Ernsthaftigkeit – so lernt man Anne kennen. Man sieht Anne ihre Behinderung nicht an, wenn sie wie der Blitz auf ihrem Fahrrad gefahren kommt, auf dem Weg als Studentin zur Uni. „Lehramt für Grund– und Mittelstufe mit den Fächern Biologie und Kunstpädagogik“ ist ihr Ziel.
Auf die Frage, ob das schon immer ihr Berufsziel war, zögert sie kurz und sagt: „Wenn ich den Unfall als Kind nicht gehabt hätte, wäre ich ein komplett anderer Mensch geworden!“ Ich frage „warum?“ und erhalte eine nachdenklich stimmende Antwort: „Mein allererster Berufswunsch war Polizistin. Ich habe damals sogar ein Praktikum dort gemacht und war Feuer und Flamme! Doch dann erfuhr ich, dass Menschen, denen Gliedmaßen fehlen, nicht genommen werden.“ Danach wusste Anne lange Zeit nicht, wohin ihr Weg sie führen soll und bekam allmählich das Bewusstsein dafür, dass die Behinderung eine wesentliche Einschränkung darstellt.
„So habe ich meine Behinderung lange Zeit verdrängt – mir und anderen gegenüber. Dabei habe ich die Schmerzen und Druckstellen, die sich dadurch einstellten, in Kauf genommen!“
Heute ist das anders. Seit einigen Jahren befindet sich Anne in einem Prozess, der ihr hilft, sich mit dem Unfall ihrer Kindheit auseinanderzusetzen. „Zu Beginn dieser Auseinandersetzung mit dem Unfall und der dadurch verursachten Amputation habe ich zum ersten Mal den Verlust, die Trauer und den Schmerz gespürt, der mit den Folgen den Unfalls von 1986 verbunden war.“ Damals war Anne 9 Jahre alt. Jetzt, als junge Frau, hat sie gelernt anzunehmen, nicht alles unter allen Bedingungen machen zu können. Aber ihr ist auch bewusst geworden, dass dieses andere Menschen gar nicht stört. Sie versucht die Behinderung nicht mehr herunterzuspielen, sondern kann heute zu ihr stehen. „Ich habe auf diese Weise Fähigkeiten entwickelt, die mir ansonsten wahrscheinlich verwehrt geblieben wären!“, so Anne, deren frohes Lachen ansteckt.
Im September und Oktober 2006 hat sie an einer Jugend-Reise nach Peru als Mediatorin teilgenommen und anschließend an der Organisation des Gegenbesuchs der peruanischen Gruppe in Hamburg mitgewirkt. „Ich war sehr beeindruckt vom Umgang dieser Menschen aus einer anderen Kultur mit dem Thema Behinderung. Auch das hat mich persönlich ein großes Stück weitergebracht, was die Verarbeitung meines Handicaps anbelangt. Dafür bin ich sehr dankbar!“
Liebe Anne, wir wünschen Dir weiterhin viel Lebensfreude und Energie und freuen uns, wenn Du die Erfahrungen, die Du mit der Bewältigung Deiner Behinderung gemacht hast, weitergeben kannst an Menschen, die noch auf dem Weg dorthin sind!